Franz LACKNER

In meinen Begegnungen mit den Firmlingen merke ich immer wieder, wie sehr sich unsere Lebenswelt, vor allem aber die Lebenswelt junger Menschen, durch die Digitalisierung verändert hat. Einerseits – und das ist unbestritten – zum Guten: Distanzen werden überwunden, Informationen sind auf Knopfdruck abrufbar und vieles, was uns beschwerlich geworden ist, wird uns mittlerweile durch neue Entwicklungen abgenommen. Die digitale Welt ist Teil unseres Alltags; vielmehr: Sie hat ihn fest im Griff. Überall aber, wo wir neue Felder betreten, steht es uns gut an, genauer hinzuschauen, abzuwägen und auszuloten, was diese neuen Räume mit sich bringen; was sie womöglich auf den ersten Blick nicht preisgeben wollen.
Yuval Noah Harari weist auf ein ehernes Gesetz der Geschichte hin: Luxus, so der Historiker, werde schnell zur Not­wendig­­keit und schaffe dadurch für Mensch und Gesellschaft neue Zwänge. Das lehrt auch das antike principium plenitudinis mit der Forderung: Jede Mög­lich­keit muss Wirklichkeit werden. Die Fülle wird zum Zwang: Alles muss sofort um­ge­setzt sein. Die vermeintliche Macht, die dadurch ersehnte Freiheit, lösen ihre Ver­sprechen aber nicht ein, im Gegenteil: Es bleibt nur wenig Spielraum, um uns aus der entstandenen Enge heraus­zuwinden.
Sind die digitalen Errungenschaften als Luxus unserer Zeit auf dem Weg von der Notwendigkeit zum Zwang? Wie gehen wir um mit den vermeintlich unendlichen Möglichkeiten, die uns zugleich auch Wege versperren können? Und: Welche ethischen Implikationen begleiten das Betreten dieser neuen Räume, die uns mit Phäno­menen wie etwa Cybermobbing konfrontieren? Antworten auf diese Fragen müssen uns ein Suchen und Ringen sein; indem wir die Chancen der Digi­tali­sierung sehen, das Gesamte in den Blick nehmen, nicht vorschnell verurteilen und indem wir – auch und vor allem – aus unserer christlichen Empfindung heraus an dieser neuen Welt mitgestalten.